Transferarchitekturen in Weiterbildungskampagnen

Wie können Inhalte von Weiterbildungsmaßnahmen in die Praxis transportiert werden?

Es kommt schon vor, daß Menschen gerne auf eine Weiterbildungsveranstaltung gehen, daß sie konstruktiv mitarbeiten, sich viel vornehmen und am nächsten Arbeitstag die Welt verändern wollen. Manchmal funktioniert das auch ... oft stossen sie dann aber auf Führungskräfte, die Veränderung nicht unterstützen, auf Kollegen, die mit Unverständnis reagieren, und auf keine Personalentwicklung, die ihr neues Wissen und Können weiter fördert.

Viele Trainingsmassnahmen werden sehr exakt, inhaltlich korrekt und als perfektes Erlebnis konzipiert und inszeniert. Tatsächlich arbeiten die Teilnehmer auch mit Spaß und guten Ergebnissen. Aber auf die Schnittstelle zu ihrer täglichen Praxis werden sie oft nicht genügend vorbereitet, und so versanden lobenswerte Vorhaben und neue Erkenntnisse in den Mühlrädern des Daily Business.

Lernerfolg wird erst durch Transfer gesichert. Deshalb ist bei der Konzeption von Trainings darauf zu achten, daß nicht nur am Trainingsdesign selbst gearbeitet wird, sondern vor allem daran, die Teilnehmer aus ihrer Praxis durch das Training und in die Praxis zurück zu begleiten. Das Training selbst steht dann nicht isoliert als Entwicklungsmassnahme da, sondern es ist eingebettet in eine Transferarchitektur.

Der Transfer selbst wird von vielen Faktoren beeinflusst. Der Trainer als Architekt hat starken Anteil, die Personalentwicklung als Auftraggeber des Trainers und Auftragnehmer der Organisation ist ein wichtiges Bindeglied. Die Führungskraft eines Teilnehmers steht genauso in der Transferverantwortung wie der Teilnehmer selbst und letztendlich auch seine Kollegen als relevantes Umfeld für die Umsetzung neuer Kenntnisse.

Transferorientierte Weiterbildung beginnt bei der Ermittlung des Bedarfs der Teilnehmer. Und sie erfordert Trainingsdesigns, die sich an diesen Bedarfen ausrichten und sie in den Mittelpunkt stellen, aber auch den Teilnehmer befähigen, sich aus sicherer Distanz heraus selbst zu beobachten um das eigene, individuelle Veränderungspotential herauszufinden. Transferleistungen können nur dann erbracht werden, wenn sie nicht verschrieben worden sind, sondern wenn sie im Teilnehmer selbst entstanden und gereift sind.

Aus der Praxis kommen jetzt drei unterschiedliche Beispiele für Transferunterstützung, die sich an drei üblichen Grundtypen von Weiterbildungsmassnahmen ausrichten: Die Einmalveranstaltung, die Trainingsreihe zu einem Themenbereich und das Entwicklungsprogramm für eine Zielgruppe.

Als Beispiel für eine Einmalveranstaltung wird hier ein Präsentationstraining für Mitarbeiter eines Automobilkonzerns beschrieben. Die Rahmenbedingungen sind ein Teilnehmermix quer durch die Organisation mit allen möglichen Vorkenntnissen und –erfahrungen sowie fehlende Möglichkeit für individuelle Vor- und Nachgespräche. Als Transferarchitektur hat sich folgendes bewährt: Die Teilnehmer erhalten etwa vier Wochen vor der Veranstaltung einen Vorabbogen, auf dem sie Trainingsschwerpunkte angeben, kurz ihre Erfahrungen mit Präsentationen skizzieren und ihren persönlichen Entwicklungsbedarf formulieren. Zwei Wochen vor der Veranstaltung erhalten sie die Aufforderung, eine Präsentation zu ihrer persönlichen Vorstellung vorzubereiten und Material für eine aktuelle Präsentation mitzubringen. Diese Präsentationen geben auch das Übungsmaterial für die Veranstaltung ab. Aus der Vorstellungspräsentation und der zweiten Präsentation entstehen individuelle Feed-Back-Plakate für jeden Teilnehmer. Ein Ausblick auf die nächste Präsentation der Teilnehmer rundet die Veranstaltung ab.

Das zweite Beispiel ist eine Trainingsreihe für den Vertrieb eines deutschlandweiten Konzerns der Energieversorgung. Die Trainingsreihe hat vier Stufen mit jeweils mehreren Veranstaltungen. Die Teilnehmer rekrutieren sich aus allen Tochtergesellschaften, die Gruppen sind immer neu gemischt und durchlaufen die Reihe nicht geschlossen. Die Transferarchitektur arbeitet hier auf zwei Ebenen: Jede Stufe der Trainingsreihe startet mit einer Selbsteinschätzung und einer individuellen Bedarfsklärung für die Stufe. Daran schließen sich die Trainings an und eine abschließende Auswertung der Stufe. Das erste Training der Stufe ist auch der Kick-Off für die Stufe. Auf die Trainings werden die Teilnehmer mit sogenannten Come-in-Papers vorbereitet; sie enthalten aktuelle Informationen zur jeweiligen Thematik und Vorbereitungsarbeiten auf das Training. Die Trainings schließen mit Transferverinbarungen ab, diese werden im nächsten Come-in-Paper wieder aufgegriffen.

Als drittes Beispiel für ein duchgehendes Entwicklungsprogramm steht hier eine Führungskräfte-Entwicklung für Teamleiter und Abteilungsleiter eines Automobilzulieferers. Die Zielgruppe ist fest und durchläuft in zwei Halbgruppen sieben Trainingsschritte. Die Transferarchitektur sieht mehrere Ebenen in unterschiedlichen Gruppierungen vor. Jeweils zwei Teilnehmer bilden ein Paten-Tandem. Dieses Tandem erarbeitet zum Abschluß jedes Trainingsschrittes persönliche Transferaktivitäten und unterstützt sich gegenseitig bei der Durchführung. Die Teamleiter der vier Produktionsbereiche bilden sogenannte Transfer-Action-Teams. Hier werden die Trainingsinhalte auf den Boden der Werkstatt gebracht und in Transferaktivitäten umgeformt. Das jeweils erste Treffen der Teams wird von einem Berater begleitet, die weiteren werden selbst organisiert. Da die Produktionsbereiche auf die beiden Trainings-Halbgruppen verteilt sind, findet hier eine Vernetzung der Parallelveranstaltungen statt. Am Tag vor dem nächsten Trainingsbaustein berichten und diskutieren die Transfer-Action-Teams im Transfer-Forum gemeinsam mit ihren Führungskräften ihre Aktivitäten. Auf einer weiteren Ebene flankieren Abteilungsleiter-Runden die Massnahme, in denen ebenfalls die Inhalte der Trainings reflektiert und in diesem Panel weiter bearbeitet werden.

Abschließend sollen hier die wichtigsten Punkte zum Thema Transfer in drei Statements zusammengefasst werden:
  • Transfer soll sich nicht an ein Training anschließen, sondern Trainings sollen in Transferarchitekturen eingebettet sein.
  • Transfer lebt im Spannungsfeld zwischen der Verbindlichkeit der Transfervereinbarungen und der Selbstständigkeit und Eigenmotivation der Teilnehmer.
  • Transferarchitekturen müssen massgeschneidert werden nach vielen Faktoren wie zum Beispiel die Art der Massnahme, die inhaltliche Ausrichtung und die Teilnehmerstruktur